¡BUENOS DIAS, ASTOR!
Einmal mehr hat der russische Bajanist Friedrich Lips die Musikwelt
in Staunen versetzt. Die auf dieser CD zu hörenden 10 Werke
werden mit unfehlbarer Professionalität interpretiert, wie
es von diesen Musikern nun einmal zu erwarten ist. Ihre Präsentation
dieser hervorragenden Auswahl von Piazzolla's Meisterwerken ist
von Einfühlungsgabe, Empfindsamkeit und Stil geprägt.
Die ersten sechs
Stücke, durchwegs von Astor Piazzolla (1921-1992), gehören
zu seinen populärsten Kompositionen. Alle sind mehrfach von
verschiedenen Ensembles aufgenommen worden. Friedrich Lips &
PIAZZOLLA-Studio können da nicht nur einfach hinzugefügt
werden, sondern sie leisten einen signifikanten und wichtigen
Beitrag zu den Interpretationen dieses Repertoires.
Unter seinen
vielen Kompositionen ist Adiós Nonino möglicherweise
Piazzolla's berühmtestes Einzelstück. Während Nonino
als liebenswürdiger und fideler Tango in Piazzolla's Tagen
in Paris und zu Ehren seines Vaters Vicente entstand, entwickelte
er sich nach dem Tod seines geschätzten Vaters in seine aktuelle
Form Adiós Nonino. Piazzolla sagte dazu 1980: "Möglicherweise
war ich von Engeln umgeben. Ich war in der Lage, die feinste Melodie
zu schreiben, die ich je geschrieben habe. Ich weiß nicht,
ob ich es jemals besser machen kann. Ich bezweifle das."
Er spielte sie unzählige Male, in mindestens zwanzig verschiedenen
Arrangements. Der Symbolismus und ihre reine Schönheit sind
in der Tat speziell, jedoch auch die folgenden fünf Stücke
sind keineswegs weniger wichtig und gehören zu seinem besten
Repertoire. Sowohl Milonga del Ángel als auch Muerte del
Ángel werden Ihre spontane Bewunderung auslösen, ebenso
wie Meditango, Tanguedia III und Tango apasionado. Tango apasionado
ist ein Teil von Piazzolla's Der raue Tänzer und Die zyklische
Nacht, worüber er sagte, "Es ist Musik, die von halb-trunkenen
Musikern in einem Bordell gespielt werden soll."
Die CD schließt
mit vier Stücken, Otoño (Herbst) porteño (1969),
Invierno (Winter) porteño (1970), Primavera (Frühling)
porteña (1970) und Verano (Sommer) porteño (1964),
die den Tangozyklus bilden, der als Las Cuatro Estaciones oder
Die vier "Buenos Aires" Jahreszeiten bekannt ist. (Ein
porteño ist ein Einwohner von Buenos Aires, wodurch der
Name der Stadt häufig in den Titel miteinbezogen wird). Obwohl
nicht als eine Hommage an Antonio Vivaldi (1678-1741) und seine
Vier Jahreszeiten (Le quattro stagioni) geschrieben, werden diese
beiden Kompositionen häufig verglichen. Le Quattro stagioni
waren Teil von Vivaldi's Opus 8, 1725 erschienen, und stellten
vier seiner 500 Konzerte dar. Piazzolla's vier Kompositionen waren
ursprünglich nicht einmal als einzelne Suite beabsichtigt,
wurden aber manchmal von Piazzolla in dieser Weise aufgeführt.
Tatsächlich wurden andere Stücke, die durch ihre Titel
in Beziehung standen, wie z.B. Milonga del Ángel und Muerte
del Ángel auch als einzelne Suite zu verschiedenen Anlässen
gespielt.
Vivaldi verdiente
sich ein Renommee als Geiger voll großer Energie, der es
mit der bloßen Vitalität seiner Werke wagte, Solisten
zu blendenden Kostproben ihrer Virtuosität zu inspirieren.
In dieser Hinsicht zeigte auch Piazzolla dieselbe rohe Energie,
als er sich sein Renommees als Komponist und virtuoser Interpret
auf dem Bandoneon erwarb. Zweifellos sind Vivaldi's Vier Jahreszeiten
ein frühes Beispiel von Programmmusik, in der die Musik eine
Geschichte erklärt oder eine Szene bildlich darstellt, und
Piazzollas vier Stücke, die diesen Tangozyklus bilden, brauchen
da keinen Vergleich zu scheuen, obwohl Piazzolla sicher nicht
darum bemüht war. Piazzolla begann häufig mit dem Herbst,
Vivaldi mit dem Frühling, wenn der ganze Zyklus gespielt
wurde. Beide Komponisten stellten einzelne Spieler als Solisten
wie in einem Konzert in den Vordergrund. Otoño z.B. enthält
eines der schönsten Soli für Bandoneon in der linken
Hand.
Piazzollas vier
Stücke bieten eine ideale Einleitung zu einzigartigen Tango-klassischen
Stilen, die vom argentinischen Meister geschaffen wurden. Es gibt
furiose Unisono-Passagen, im Kontrast dazu Phasen schwermütiger
Ruhe. Die Stücke sind immer aufregend; sie sind nie stumpf.
Das zweckmäßige rubato, die häufig rauen und nervösen
Akzente, die temporäre Ungeduld der Musik - gehen in eine
niemals übermäßige Süsse über und wieder
zurück. Hören Sie die Tango-Fuge in Primavera!
Die Bezeichnung
"virtuos" beschreibt sowohl das Repertoire als auch
die Musiker, von denen oben die Rede war. Während viele die
ernste klassische Arbeit von Friedrich Lips kennen und bewundern,
werden es nun möglicherweise sogar noch mehr tun als Folge
der Aufnahmen der Piazzolla-Tangos. Es ist nicht häufig,
dass von einem Künstler vom Status eines Lips erwartet werden
darf, beide Genres so perfekt zu interpretieren, und doch, er
tut es! Die prächtige Phrasierung, die technische Klarheit,
die einwandfreie Balgführung und ja, sogar jene kleinen aber
wunderbar ausgeführten Verzierungen, zeugen von seiner hohen
Professionalität, ob es nun um die Musik von Gubaidulina
oder von Piazzolla geht.
Sie werden diese
CD mögen; es ist eine, zu der sie immer wieder zurückgreifen
werden. Sie ist vom Anfang bis zum Ende überaus unterhaltsam
und absolut großartig. Wenn Sie herausragende musikalische
Leistungen und auch die Musik von Piazzolla mögen, sollten
Sie sie Ihrer Bibliothek jetzt hinzufügen.
(Lips-CD 020)
*Rezension
durch Joan Cochran Sommers, November 2008.
Anmerkung: Für
genaue biographische Informationen sowie die Bestellung dieser
oder auch der anderen CDs von Friedrich Lips, gehen Sie bitte
auf
http://www.musicforaccordion.com/Boutique/inform/lips/CD020.htm
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